Beitrag im Jahrbuch 2001 des Stadtteilvereins Handschuhsheim

Esskastanien in Handschuhsheim

von Petra Bauer und Dieter Teufel

Von zahlreichen Ausgrabungen, vor allem durch Berndmark Heukemes, wissen wir, daß vor knapp 2 Jahrtausenden die Römer in Heidelberg und auch in Handschuhsheim waren. (1,2)   Obwohl die römische Herrschaft am Neckar über zwei Jahrhunderte (von ca. 50 n.Chr. bis ca. 260 n.Chr.) dauerte, sind heute im Stadtbild, anders als z.B. in Trier oder in französischen Städten, keine Reste der Römerzeit mehr erkennbar.

Ein deutlich sichtbares Zeichen der römischen Anwesenheit hat jedoch die Jahrtausende überdauert und ist heute besonders in Handschuhsheim gut sichtbar: Die Ess- oder Edelkastanie (Castanea sativa). Dieser vor allem wegen seiner Früchte und seines Holzes wertvolle Baum stammte ursprünglich aus Südeuropa und Westasien. Die Griechen benannten ihn nach der Stadt Kastana in Pontus, einer historischen Landschaft an der kleinasiatischen Küste des Schwarzen Meeres, wo er in großem Stil kultiviert worden sein soll. Die Römer latinisierten die alte griechische Bezeichnung zu Castanea. Der Zusatz „Sativa“ im wissenschaftlichen Namen bedeutet kultiviert, nützlich oder sättigend und kommt bei kultivierten Nahrungspflanzen häufig vor, z.B. Kopfsalat (Lactuca sativa), Hafer (Havena sativa) oder Reis (Oryza sativa).

Nicht nur die Römer passten den Namen der Edelkastanie an ihre Sprachgewohnheiten an, sondern auch die Hendsemer. Im Laufe der Jahrhunderte wandelte sich der Name in der Kurpfalz zu Keschde. Ein Waldstück, welches mit Edelkastanien bestanden ist, heißt in Hendesse seit altersher Fleetz.

Im Mittelalter taucht der Name „Castaneae“ und „Kestenbaum“ als einige der wenigen geschriebenen Wörter auf der ersten Stadtansicht Heidelbergs von Sebastian Münster um das Jahr 1553 auf. Während die Hänge des Königstuhls und des Gaisbergs in dieser Zeit weitgehend kahl sind, befindet sich oberhalb der Altstadt ein Gürtel von Kastanienbäumen, die von Sebastian Münster extra bezeichnet werden. (siehe Ausschnitt der Stadtansicht)

Auch heute kann man im Sommer von weitem sehen, wo an den Hängen des Heiligenbergs und des Siebenmühlentales die Kastanien stehen. Ende Juni/Anfang Juli, wenn die Keschde blühen, leuchtet das helle Gelb ihrer männlichen Blütenstände bis weit in die Ebene des Rheintals. Das Foto zeigt die Hänge Handschuhsheims von der Wieblinger Flur aus.

Die Edelkastanie braucht viel Licht und Wärme, was sie an den Hängen der Bergstraße und der Pfälzer Haardt findet. Ansonsten ist sie was die Bodenqualität angeht anspruchslos. Weiter hinten im Odenwald und oberhalb 450 Höhenmeter kommt sie wie z.B. auch in Norddeutschland oder Bayern fast nicht vor. Insgesamt bestehen heute nach neuen Zählungen des Forstamtes Heidelberg knapp 4% des Handschuhsheimer Waldes aus Edelkastanien. Nach dem Universallexikon des Großherzogtums Baden bestand der Handschuhsheimer Wald im Jahr 1847 ebenfalls zu 4% aus Kastanienwald (79 Morgen zur Gesamtwaldfläche von 1 940 Morgen). Wie Pfarrer Friedrich Wernz berichtet, wurden um 1900 bis 1910 in Handschuhsheim mehrere Fleetze neu angelegt, vor allem auf ehemaligen Gartengrundstücken oberhalb des Mönchsbergweges, oberhalb des Hainsbachbrunnens und auf der Winterseite des vorderen Siebenmühlentals. Die Esskastanie sät sich in unserer Gegend aber meist auch von selbst aus. Dabei setzt sie sich gegenüber den meisten Laubbäumen, insbesondere auf trockenen und schlechten Böden, durch stärkeres Wachstum im Jugendstadium durch.

Botanisch ist die Edelkastanie eine Schwester der Eiche und beide gehören zu den Buchengewächsen. In Asien und Nordwestamerika gibt es Übergangsformen zwischen Eiche und Eßkastanie. Mit der Roßkastanie ist die Edelkastanie dagegen überhaupt nicht verwandt, die Roßkastanie gehört zu den Rosengewächsen. Das Holz der Edelkastanie ist haltbarer als Eichenholz (unimprägniert im Freien etwa 30 Jahre) und eignet sich deshalb gut als Wingertestecken, Stempel von Holzbänken, Brücken (z.B. die im Jahr 1999 erbaute neue Holzbrücke im Siebenmühlental) und zum Bau von Fässern und Möbeln. Da sie ähnliche Licht- und Wärmeansprüche wie die Reben hat, wanderte sie mit dem Rebanbau nach Norden und hielt sich in den Weinanbaugebieten des Rheintals. Die Frucht der Edelkastanie ist sehr nährstoffreich (Stärke).

Schon Goethe, der ja ab und zu in Heidelberg weilte, war ein großer Liebhaber der Esskastanien. Goethes Mutter schickte ihm jeden Herbst aus dem Taunus ein Paket mit Kastanien. Als sie gestorben war, übernahm die Hauswirtin seines Sohnes August, der in dieser Zeit in Heidelberg studierte, dieses Amt. Am 5.Oktober 1814 schrieb Goethe aus Heidelberg an Christiane: „Bemerken muß ich hier, daß Kastanien schon angeschafft worden und... mit nach Hause geführt werden.“ (3) In einem Gedicht in seinem Buch „Suleika“ verewigte Goethe die schmackhaften Früchte im Herbst 1813 in Heidelberg. 

Gedicht im Buch Suleika

An vollen Büschelzweigen,
Geliebte, sieh nur hin!
Laß dir die Früchte zeigen,
Umschalet stachlig grün.

Sie hängen längst geballet,
Still, unbekannt mit sich;
Ein Ast, der schaukelnd wallet
Wiegt sich geduldiglich.

Doch immer ruft von innen
Und schwillt der braune Kern:
Er möchte Luft gewinnen
Und säh die Sonne gern. 

Die Schale platzt, und wieder
Macht er sich freudig los:
So fallen meine Lieder
gehäuft in deinen Schoß.

Johann Wolfgang von Goethe, 24.Sept.1815

Erwin Ackerknecht berichtet in seinem Buch „Heidelberg im Leben Goethes“ von einer Begebenheit, von der Heinrich Voß erzählte: „Ein Mann von Geschmack und ästhetischer Bildung habe sich Goethe gegenüber über den Barbarismus entrüstet, womit die Handschuhsheimer den schönen Heiligenberg niedergeholzt hätten. Darauf habe Goethe erwidert: Beruhigen Sie sich! In einigen Jahren ist er wieder grün und dann hat Ihr Ärger volle 22 Jahre Ruhe, denn so lange muß der Berg nach forstlichen Regeln schon grün bleiben.“ (4) 

Interessant ist, sich von älteren Menschen über die Keschde berichten zu lassen. Ludwig Merz erzählte uns Jugenderinnerungen: „Bei jedem Käschde-Stupple kam es zu Grenzzwischenfällen der Altstädtler und der Weststädtler. Sie wurden auf echt pfälzische Art mit viel Geschrei und Drohungen, aber ohne Tätlichkeiten ausgetragen. Gefährlich war das ‘Nachhelfen’ zum Herunterfallen der Kastanien mittels Prügel oder gar Steinen. Da gab es manche blutende Wunde. Was noch schlimmer war, daß uns in solchen Fällen der Waldschütz verjagte.“  

Zum Käschde-Esse daheim berichtet Ludwig Merz weiter:
„Käschde kann man bekanntlich sowohl in Salzwasser kochen als auch braten. Vom letzteren sei jetzt berichtet: In unserem Wohnzimmer stand ein stilvoller Ofen in der Form eines Turmes. Er war aus Gußeisen und hatte über der Feuerung eine Wärmenische mit einer schönen Tür. Eines Tages legte ich dort meine Kastanien hinein, um diese zu braten. Im Essenseifer holte ich mir die dickste der Käschde heraus und biß diese mit dem Eckzahn auf. Da flog mir die ganze heiße „Ladung“ in den Mund. Mein Sprechen klang einige Tage etwas seltsam, worüber sich die Kameraden lustig machten. Was war nun aber der Grund für die „Explosion“ der Kastanien? - Ich hatte vergessen, in die Kastanien einen Messerschnitt in die Schale zu machen als Ventil. Bald knallten auch die anderen Käschde.“ 

In der Ernährung unserer Vorfahren spielte die Edelkastanie keine unwichtige Rolle. Oft wurde sie als „Kartoffel der Armen“ bezeichnet. Wenn sie im Keller z.B. in Sand eingebettet wurde, konnte sie gut über den Winter gelagert werden. Die Früchte sind sehr nahrhaft und können u.a. zu Mehl vermahlen werden.  

Aber die Edelkastanie ist nicht nur für Menschen ein Leckerbissen, sondern auch für Eichhörnchen, Eichelhäher, Krähen, Mäuse und Wildschweine. Dabei wird sie vor allem durch Eichelhäher und Eichhörnchen verbreitet, die regelrechte Lager der Früchte anlegen. Dieser Sammeltrieb hilft der Eßkastanie, weil sie ein Dunkelkeimer ist. 

Vor mehr als 2 Millionen Jahren war die Edelkastanie auch bei uns ein heimischer Baum. Da sie wärmeliebend ist, verschwand sie mit den Eiszeiten. Die natürliche Wanderungsgeschwindigkeit der Esskastanie ohne Einfluss des Menschen, die sich aus der ersten Fruchtzeit der Bäume und dem Verbreitungsradius der Früchte um den Altbaum errechnen lässt, liegt bei ca. 2-3 km pro Jahrhundert. Damit konnte es die Esskastanie in den letzten 10 000 Jahren seit der Eiszeit nicht alleine schaffen, aus Südeuropa um die Alpen herumzuwandern und nach Deutschland auf natürlichem Wege einzuwandern. CastaneBluete.jpg (27948 Byte)

Bisher herrschte die Meinung vor, daß die Esskastanien von den Römern nach Deutschland gebracht wurden. Neueste Forschungsergebnisse belegen jedoch Einzelfunde von Esskastanienpollen schon in der späten Eisenzeit um ca. 200 v. Chr. und damit vor der Römerzeit. Die wahrscheinlichste Erklärung ist, daß die Kelten, die damals z.B. schon Wein aus Südfrankreich tranken und vielfältige Handelsbeziehungen über die Alpen hatten, wahrscheinlich auch schon damals die wohlschmeckenden Kastanien mitbrachten und versuchten, sie anzupflanzen. In warmen Gebieten wie im Rheintal gelang es ihnen wahrscheinlich ab und zu. Später haben dann die Römer die Esskastanie verstärkt angebaut, besonders im Zusammenhang mit ihrem Weinbau im 3.-4. Jahrhundert n.Chr. Verstärkte Pollenfunde der Esskastanie seit der Römerzeit belegen dies. Eine weitere Zunahme der Pollenfunde zeigt sich dann im Mittelalter. Ausgehend von den Klöstergärten wurde sie gezielt angebaut und vermehrt. 

Die Vermehrung der Edelkastanie 

Durch die zeitlich sehr günstige Blüte im Juni umgeht die Esskastanie Spätfröste. Sie hat als Besonderheit zwei Blütenarten: 1. Rein männliche Kätzchen, ca. 30 cm lang und intensiv hellgelb, und 2. zwittrige Blüten mit weiblichen Fruchtanlagen, die meist an der Basis des männlichen Blütenkätzchens sitzen. Zur Bestäubung hat die Edelkastanie zwei Strategien entwickelt: Zum einen die Bestäubung durch den Wind, wie es ihrer Familie der Buchengewächse entspricht. Dazu produzieren die Edelkastanien im Sommer sehr große Mengen Pollen, die vom Wind über die Landschaft verweht werden und sich z.B. bei Sommerregen in Wasserpfützen als gelber Blütenstaub sammeln können. Das mikroskopische Foto zeigt die Esskastanien-Pollen in 400-facher Vergrößerung.  

Die Kastanie verläßt sich aber nicht allein auf die Windbestäubung, sondern hat auch schon den Weg des Anlockens von Insekten mit Nektar entwickelt, die dann zur Befruchtung der weiblichen Blüten beitragen. Dazu produzieren die  männlichen Blüten Nektar, der Käfer, Hummeln, Bienen und Fliegen anlockt, deren Pelz mit den reichlich vorhandenen Pollen bestäubt wird, die dann beim zufälligen Herumkrabbeln auf den Zweigen auf die weiblichen Blüten übertragen werden. Der Esskastanien-Pollen besitzt für Insekten einen hohen Nährwert, was für sie einen weiteren Grund darstellt, die Blüten zu besuchen. Die Insekten werden neben der hellen Farbe der männlichen Blütenstände auch durch einen intensiven süßlich-herben Geruch angelockt, der den männlichen Blüten entströmt und an heißen Sommertagen über ganz Handschuhsheim liegt. Eine Selbstbefruchtung kann bei der Edelkastanie nicht erfolgen, da zwischen der Blütezeit der männlichen und weiblichen Blüten ca. 2 Wochen Zeitunterschied besteht. Einzelbäume können deshalb nicht tragen oder bringen höchstens taube Nüsse. Auch sortenreine Pflanzungen sind meist unfruchtbar. 

esskastengelsw.jpg (32319 Byte)Aus dem Nektar der duftenden Blütenstände der Edelkastanie und aus ihrem Honigtau bereiten Bienen einen dunklen, wohlschmeckenden Honig. Dieser besitzt ein kräftiges herbes Aroma und ist reich an Fermenten. Durch den hohen Fruchtzuckergehalt bleibt er lange Zeit flüssig.

Esskastanien können südlich der Alpen bei einem Stammdurchmesser von einem Meter und mehr ein Alter von über 500 Jahren, nördlich der Alpen in der Regel meist nur 200 Jahre erreichen. In Sizilien in der Nähe des Ätna steht wohl das älteste Exemplar, dessen Stammumfang bereits 1770 mit 62 Metern vermessen wurde. Heute wird sein Alter auf 2000 bis 4000 Jahre geschätzt. Esskastanien sind außerordentlich ausschlagkräftig und wurden früher häufig in Niederwaldkultur mit 15-20-jährigem Umtrieb gezogen, wobei die jungen, schlanken Stämme und Äste zu Rebenpfählen verwendet wurden. Im Weinbauklima verjüngt sich die Eßkastanie durch Stockausschläge selbst. Wenn der Hauptstamm durch hohes Alter abzusterben beginnt, bilden sich an seiner Basis manchmal bei günstigen Bedingungen neue Ausschläge, die zu neuen Bäumen heranwachsen können. Genetisch stellen diese Ausschläge nicht die nächste Generation dar, sondern sind mit der ursprünglichen Pflanze identisch. Dadurch kann es durch wiederholte Ausschlagsbildung im Laufe der Zeit zu einem sehr hohen Alter des Baumes kommen. Schön sichtbar ist dies z.B. in einem Waldstück zwischen Auerstein und Wolfsgrund und beim früheren Pilgerweg zur ehemaligen Engelskirche am Südhang des Heiligenberges. Das Foto zeigt ehemals aus Ausschlägen gewachsene Edelkastanien, die inzwischen wieder zu alten Stämmen geworden sind. Im Innern des Baumkreises stand früher der ursprüngliche Stamm, der inzwischen längst vermodert ist. Das Alter dieser Edelkastanien am Südhang des Heiligenbergs läßt sich auf 300-320 Jahre schätzen. Das älteste Einzelexemplar einer Esskastanie mit ursprünglichem Stamm stand bis vor kurzem auf der Engelswiese am Südosthang des Heiligenbergs, bis es durch einen Sturm im Jahr 2000 umgeworfen wurde. Dabei ließen sich die Jahresringe zählen. Bei einem Durchmesser des Stammes von 1,20 m ergab sich ein Baumalter von 250 - 300 Jahren. 

CastaneaRing.jpg (44009 Byte)Zum Abschluß wollen wir den heute leider in Vergessenheit geratenen Naturforscher Raoul H. Francé zu Wort kommen lassen, der im Jahr 1906 über das Alter von Bäumen folgendes Nachdenkenswerte schrieb:

"Das europäische Klima bringt Baumriesen hervor, die wie die berühmte Edelkastanie am Ätna 20 m Stammdurchmesser erreichen. Kein lebendes Geschöpf kann sich dem an die Seite stellen, keines umspannt mit seinem Leben die Jahrtausende so, wie die Eiben oder Kastanien und Eichen. Schon das genügt, um sie mit dem romantischen Zauber altehrwürdiger Geschichte in unvergleichlichster Weise zu umkleiden, denn nichts führt uns die Majestät der Naturgesetze mehr zum Bewußtsein, als so ein unbegreiflich in die Jahrhunderte hinein grünender Baum, neben dem Menschen aufblühten und verwelkten, so oft wie  e i n  Menschenleben die Rosenblüte erlebt, an dem Städte und Staaten versanken, unter dem eine Kultur und Religion aufging und wieder abdorrte und eine neue gegründet wurde, die dem kurzlebigen Menschenauge auch schon wieder altersmüde und sichelreif erscheint, ein Baum, der es erlebte, wie Römer, pfeilbewehrte Mongolen, fellumgürtete Recken und eisengepanzerte Ritter, Patrizier, Landsknechte, Hexenprozessionen und Eisenbahnen an ihm vorbeizogen, unter dem Millionen Seufzer von Leiden, die glaubten, unstillbar zu sein, Küsse und Liebesschwüre, die alle Ewigkeiten vom Himmel holen wollten, Träume und ehrgeizige Gedanken, die nach Unsterblichkeit lechzten, wesenlos dahinstarben und in Nichts verwehten, während ihr Zeuge inmitten dieses Maskenzuges in wahrer Unsterblichkeit gleichsam spottet über den Größenwahnsinn dieser so rasch verbrennenden Eintagsfliegen, indem er gelassen bei jeder Sonnenwende einen neuen lebendigen Ring zu den alten und toten fügt. Gegenüber dieser in sich ruhenden Größe ist die Weltgeschichte wie ein Wortgefecht...

Und diese Belehrung von der Größe des Lebens, das sich so ausdehnen kann, daß für das Leben auch Jahrhunderte nur zu Tagen werden, flüstert uns in jedem Walde Trost zu. Indem wir sehen, daß sich durch die kleine Komödie der Menschenschicksale nicht einmal etwas länger lebende Wesen beirren lassen, wird unserem von Freuden, Schmerz, hochmütigen Hoffnungen und verzweifeltem Entsagen brennenden Kopf milde Linderung. Wir stürmen gehetzt von allen Furien des Ehrgeizes, gesonnen die Welt zu ändern, gepeinigt von dem Dämon der Ruhelosigkeit dahin - aber schon der erste alte Baum, unter dem wir Halt machen, fächelt uns Abkühlung zu: So heiß, mein kleiner Freund? Denn es sind schon viele bei ihm vorbeigelaufen, denen alle Gewitter nun schon ausgetobt haben...

Die halbe Ewigkeit, die für uns ein Baumleben bedeutet, ist vielleicht die Wurzel des Stillerwerdens, mit dem der Wald unsere Seele reinigt. In seiner Atmosphäre des fast Zeitlosen, haben auch die verworrensten Melodien des Kopfes und Herzens Zeit, auszuklingen.

Das Künstlerische in uns aber schwelgt darin, daß jeder alte Baum die Geschichte dieser halben Ewigkeit auch erzählt, ihre Spuren an seiner Gewandung trägt. Wissenschaftlich erfassen freilich die wenigsten diese Physiognomik des Baumes, um so deutlicher aber in dem Empfinden, daß ein alter, von Sturm zerfetzter, von Regen gebleichter, von Blitzschlag zersplitterter Baum besonders schön und eines Malers würdig sei.

Der Baum bietet etwas was die meisten Tiere nicht haben, etwas das ihn mit dem Menschen verknüpft: er hat Individualität. Die Steinadler oder Frösche sehen sich alle gleich, bei den Schmetterlingen vermag auch das schärfste Auge nicht, Unterschiede zwischen den Individuen gleicher Art zu entdecken, bei Hund und Pferd errät nur der liebevolle Blick des Besitzers die leisen Nuancen, die das Wiedererkennen erlauben, wenn sonst die Rasse und Abstammung gleich ist - die Bäume aber sind alle verschieden. Je älter sie werden, desto mehr prägt sich in ihrem Antlitz ihre Geschichte, so wie in dem unseren. Das macht sie liebwert und interessant. Darum gibt es Lieblingsbäume und ein starkes persönliches Verhältnis zu ihnen." (R.H.Francé, Das Leben der Pflanze, Band 1, 1906, S. 516)

1     Berndmark Heukemes, Reiche römische Steinkistengräber vom Hilzweg in Heidelberg-Handschuhsheim, Jahrbuch 1997, Seite 5-9
2     Karl Manger, Römische Straßen und die römische Neckarbrücke in Heidelberg, Jahrbuch 1986, Seite 89-90
3     Oftering, Wilhelm E. u. Richter, Georg: Mit Goethe am Oberrhein, Braun, Karlsruhe, 1981
4     Erwin Ackerknecht, Heidelberg im Leben Goethes, Wunderhornverlag, 1949, Seite 22

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