Pressemitteilung
UPI-Bericht 23Scheinlösungen
im Verkehrsbereich
|
Nachdem das UPI-Institut zahlreiche Veröffentlichungen zu technischen,
marktwirtschaftlichen und organisatorischen Lösungskonzepten im Verkehrsbereich vorgelegt
hat, beschäftigt sich der UPI-Bericht Nr. 23 mit dem Thema "Scheinlösungen im
Verkehrsbereich; Kontraproduktive und ineffiziente Konzepte der Verkehrspolitik". |
"Scheinlösungen" im Verkehr, von denen die Studie insgesamt
22 beschreibt, spielen in der Verkehrsdiskussion und -politik eine zunehmende Rolle. |
Die erste Auflage des UPI-Berichts Nr. 23, die im Dezember 1991 erschien, traf auf eine
unerwartet große Nachfrage. Sie war deshalb innerhalb kürzester Zeit vergriffen. Die 2.,
3. und 4. Auflage wurden deshalb jeweils erweitert und um aktuelle Beispiele von
Scheinlösungen ergänzt. Nachfolgend einige Beispiele: |
Scheinlösungen sind z.B. die bisher entwickelten neuen Antriebssysteme für Autos.
Die Untersuchung ergab, daß die Bilanz beim Elektro-Auto ähnlich
schlecht ist wie bei einem Benziner. Einer deutlich verringerten Emission an
Kohlenwasserstoffen und Kohlenmonoxid steht eine deutliche Mehr-Emission des
Elektroantriebs an Staub, Schwefeldioxid, Stickoxiden und Blei gegenüber. Der
Gesamtwirkungsgrad der Energie-Ausnutzung liegt beim Elektro-Antrieb nicht besser als bei
einem normalen Verbrennungsmotor.Ähnliches ergab sich für
Biokraftstoffe. Unter Berücksichtigung der Gesamtemissionen aller
klimawirksamen Schadstoffe bei der Produktion ist Biosprit (Rapsöl oder Äthanol aus
Zuckerrüben, Getreide oder Kartoffeln) ähnlich klimaschädlich wie Kraftstoffe aus Erdöl. |
Heute expandiert die Zahl der Autos etwa neunmal schneller als das Straßennetz.
Selbst wenn in Zukunft neunmal so viel und neunmal so schnell neue Straßen gebaut werden
würden wie bisher, könnten damit die inzwischen entstandenen Staus und Überlastungen
des Straßennetzes gerade auf dem heutigen Level gehalten werden ! Die Studie zeigt, daß
es völlig illusorisch ist, mit weiterem Bau von Straßen, Parkplätzen,
Tiefgaragen oder Park&Ride-Anlagen die Probleme des Autoverkehrs lösen zu
wollen. Lösungsansätze in dieser Richtung sind von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Durch Kapitalbindung und durch Induktion von neuem Verkehr können sie das Problem nur
vergrößern. |
Dabei nimmt die Ineffektivität des Systems PKW-Verkehr immer mehr zu. Die PKW-Mobilität
(mit dem PKW zurückgelegte Wege) hat sich von 1960 bis 1990 in den alten Bundesländern
nur verdoppelt. Die dafür zurückgelegten Personenkilometer nahmen jedoch rund doppelt so
schnell zu. Noch schneller wuchsen die mit PKW's zurückgelegten Fahrzeugkilometer, da der
durchschnittliche Besetzungsgrad der PKW's permanent absank. Und am stärksten erhöhte
sich die Zahl der Autos, sie wuchs in diesem Zeitraum auf mehr als das Siebenfache. Um
also lediglich eine Verdoppelung der Mobilität zu erreichen, mußten viermal so weite
Strecken zurückgelegt, fünfeinhalbmal soviel Auto gefahren und über siebenmal so viele
Autos angeschafft, betrieben und abgestellt werden. |
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, daß die Überlastungserscheinungen des Straßennetzes
nur verringert werden können, wenn Einsparung und Verlagerung von Autoverkehr auf
Verkehrsmittel des Umweltverbundes (öffentlicher Verkehr, Fahrradverkehr, Fußwege) erste
Priorität eingeräumt wird. Der Umweltverbund benötigt für die gleiche Verkehrsleistung
mehr als eine Zehnerpotenz weniger Fläche als das Auto. |
In diesem Zusammenhang weist die Studie darauf hin, daß zwar inzwischen auf fast allen
politischen Ebenen behauptet wird, daß dem Öffentlichen Verkehr Priorität zukomme. Die
für die Zukunft geplante tatsächliche Verteilung von Verkehrsinvestitionen, neuen
Verkehrsflächen etc. zeigt jedoch, daß die angebliche Priorität des Umweltverbundes in
den meisten Fällen reine Lippenbekenntnisse sind. |
Die Studie zeigt, daß eine Verkehrspolitik, die primär auf freiwillige und
"vernünftige" Verhaltensänderungen setzt, zum Scheitern verurteilt ist. Sie
kann dem einzelnen Umsteiger, der sich umweltfreundlich verhält, keine Vorteile bieten.
Nur durch ordnungsrechtliche Maßnahmen für alle und durch eine Politik der (relativen)
Besserstellung der Benutzer des Umweltverbundes gegenüber dem Autoverkehr kann ein
Umsteigen und damit Vorteile für den einzelnen und die Allgemeinheit erreicht werden. |
Um kontraproduktive Scheinlösungen handelt es sich in den meisten Fällen auch bei neuen Umgehungsstraßen.
Bei Berücksichtigung der Neubelastungen durch die Umgehungsstraße ist die Gesamtbilanz
häufig nicht positiv. So nimmt z.B. die Zahl der durch Lärm wesentlich Gestörten in der
Regel selbst kurzfristig kaum ab, in einigen untersuchten Fällen erhöhte sie sich sogar.
Bei den Schadstoffen steht einer geringen Minderung der Kohlenmonoxidemissionen eine
deutliche Erhöhung der Stickoxidemissionen (Ausgangssubstanz für Sommersmog) gegenüber.
Gerade die Städte, die in der Vergangenheit am meisten auf den Bau von Umgehungsstraßen,
Tangenten oder großzügigen Durchgangsstraßen z.B. in Form von Stadtautobahnen setzten,
haben heute am stärksten mit den Symptomen des Verkehrsinfarkts zu kämpfen.
Umgehungsstraßen werden häufig mit der Notwendigkeit einer Erhöhung der
Verkehrssicherheit begründet. Untersuchungen der letzten Zeit zeigen jedoch, daß genau
das Umgekehrte eintritt: Durch Attraktivierung des Autoverkehrs durch neue
Umgehungsstraßen nimmt der Autoverkehr genauso zu wie die Fahrgeschwindigkeiten. Dadurch
steigen nach Fertigstellung der Umgehungsstraßen sowohl die Zahl der Unfälle als
insbesondere die Schwere der Unfälle an. |
Weitere Themen der Untersuchung sind Park & Ride, Tiefgaragen, Job -Tickets, eine
gesetzliche Helmpflicht für Radfahrer, Prioritäten der Verkehrspolitik, die Verlagerung
von Kurzstreckenflügen auf die Bahn, die Methodik der Verkehrsentwicklungsplanung, die
Handlungsebenen der Verkehrspolitik und die Schlagworte von der "Intelligenten
Straße" und der "Intelligenten Arbeitsteilung" im Verkehr. |
Nachfolgend einige der 42 Grafiken des Berichts.
Beispiel:
Lineare oder rückgekoppelte Rechnung in Verkehrsgutachten ? |
Viele Maßnahmen zur Umverteilung von Flächen im Verkehrsbereich scheitern an der
Befürchtung, sie seien nicht möglich, da durch sie Staus ausgelöst werden. Häufig wird
diese Meinung auch durch "Gutachten" untermauert, in denen z.B. für den Fall,
daß eine Fahrspur wegfällt oder die Geschwindigkeit reduziert wird, aus dem heutigen
Autoverkehr einer Straße die danach zu erwartenden Staus errechnet werden.
|
In solchen Gutachten wird in der Regel linear, nicht rückgekoppelt gerechnet. Die
Auswirkungen der vorgesehenen Maßnahmen auf Verhaltensänderungen der Verkehrsteilnehmer
werden dabei ausgeklammert. Verkehr ist jedoch kein starres, unveränderliches Geschehen,
sondern die Folge von täglichen individuellen Entscheidungen von Zehntausenden Menschen.
Die Grafik "Reaktionen bei Änderung des Widerstandswertes einer Route" unten
zeigt zusammengefaßt die Reaktionen des Systems Verkehr bei Änderung des
Widerstandswertes einer Verkehrsverbindung. Faktoren, die den Widerstandswert einer
Verkehrsbeziehung beeinflussen, sind (in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit) der
Zeitbedarf, die Kosten, die Bequemlichkeit und der Erlebniswert eines zurückgelegten
Weges. Werden im Straßennetz z.B. neue Kapazitäten für den MIV geschaffen, werden die
in der Grafik auf der rechten Seite dargestellten Reaktionen der Neuinduktion von Verkehr
ausgelöst. Dieser Weg läßt sich so systemimmanent begründen und verifizieren. Es
läßt sich im nachhinein jeweils feststellen, daß die getroffenen Verkehrsmaßnahmen
"richtig" waren, da der weiter steigende Autoverkehr dies "ja erfordert
hat". Wird umgekehrt die Durchflußkapazität einer Straße durch Aufhebung einer
Fahrspur so verringert, daß der Widerstandswert (z.B. Zeitbedarf zum Passieren der Route)
spürbar anwächst, ändert sich das Verhalten eines Teils der Verkehrsteilnehmer
ebenfalls. Ein Teil wird eine andere Route suchen, ein anderer Teil die Abfahrtszeit
variieren, ein dritter Teil auf andere Verkehrsmittel mit geringeren Widerstandwerten
umsteigen usw.
|
Ein Beispiel ist die Umwandlung einer Kfz-Fahrspur in
einer Hauptdurchgangsstraße in Heidelberg (Bismackstraße) in eine Fahrradspur. Hier
waren 3 Fahrspuren für den Kfz-Verkehr, jedoch keine für den Fahrradverkehr vorhanden.
Die Stadtverwaltung war zunächst strikt gegen den Vorschlag, eine der 3 Kfz-Spuren in
eine Fahrradspur umzuwandeln. Ein bekanntes Verkehrsingenieurbüro errechnete im Auftrag
der Stadtverwaltung für den Fall der Aufhebung der Kfz-Spur dauerhafte "für den
Kfz-Verkehr unzumutbare Staulängen von über einem Kilometer Länge". Ein Gutachten
des UPI-Instituts bestätigte die zu erwartenden Staulängen, prognostizierte jedoch einen
Rückgang der Staus auf die vor Aufhebung der Fahrspur üblichen Werte innerhalb einiger
Monate. Der Gemeinderat beschloß daraufhin, eine Kfz-Spur aufzuheben und in eine
Fahrradspur umzuwandeln. Die Grafik "Max. Kfz-Staulänge Bismarckstraße" zeigt
die tatsächliche Stauentwicklung. Die maximale Staulänge lag vor Einrichtung der
Fahrradspur bei durchschnittlich 200 m (Rush-Hour morgens) bis 700 m (Rush-Hour
nachmittags). Nach Aufhebung der Kfz-Spur nahm die Staulänge in der Rush-Hour zunächst
deutlich bis auf 1 400 m zu. Nach kurzer Zeit jedoch zeigten sich deutliche
Änderungen im Kfz-Verkehr. Die Staus glichen sich in relativ kurzer Zeit den normalen zur
Rush-Hour auftretenden Werten an. Interessant ist, daß sie heute sogar kürzer sind als
die Staus vor Aufhebung der Kfz-Spur. |
Die Einrichtung dieser Fahrradspur führte zu einer drstischen Reduzierung der Unfälle
und Verletzten auf dieses Strecke.
Inhalt UPI 23 |
Seite |
Einleitung |
2 |
Saubere neue Antriebsysteme ? |
2 |
Elektroauto |
3 |
Solarauto |
6 |
Hucke-Pack-Verkehr, Leicht-PKW und Bahn |
7 |
Ungerechte staatliche Förderung |
8 |
Wasserstoff und Methanol |
9 |
Biokraftstoffe |
10 |
Kat-Effekt: Gutes Gewissen |
15 |
Park & Ride |
18 |
Bike & Ride effektiver |
20 |
Gesetzliche Helmpflicht für Radfahrer ? |
22 |
Radwege mit Betonverbundpflaster |
24 |
Tiefgaragen |
25 |
Straßenbau gegen Stau ? |
27 |
Entlastung durch Umgehungsstraßen ? |
31 |
Privatfinanzierung von Straßen |
34 |
"Intelligente Straße" ? |
34 |
Förderung des ÖPNV auf Kosten des Fahrradverkehrs ? |
36 |
Intelligente Arbeitsteilung ? |
39 |
Kurzstreckenflüge auf die Bahn ? |
39 |
Angebot vor Restriktion ? |
40 |
Angebot oder Restriktion ? |
41 |
Verkehrsplanung und Einzelhandelsentwicklung |
46 |
Vorsicht bei Job-Tickets |
47 |
Verkehrsentwicklungsplanung |
48 |
Lineare oder rückgekoppelte Rechnung in Verkehrsgutachten ? |
52 |
Prioritäten der Verkehrspolitik |
54 |
Einstellungen und Gewohnheiten im Verkehrsbereich |
55 |
Handlungsebenen der Verkehrspolitik |
57 |
Welche Lösungen gibt es ? |
59 |
UPI-Bericht 23 "Scheinlösungen im Verkehrsbereich - Kontraproduktive und
ineffiziente Konzepte der Verkehrsplanung und Verkehrspolitik": 60 Seiten, 42
Grafiken, 4. Auflage 1993, 3,- Euro |
Bitte senden Sie Ihre Bestellung per email an:
Elke Mohr em(at)upi-institut.de
Seitenanfang UPI-Berichte
| |
UPI 79 Ökobilanz Elektroautos UPI 77 Fahrradunfälle UPI 48 Sommersmog-Alarm UPI 47 Todesfälle durch Ozon UPI 46 Gesundheitsabgaben UPI 45 PC-Programm WinMobil UPI 44 Krebs und Verkehr UPI 43 Gesundheit & Verkehr UPI 42 Folgen von Tempolimits UPI 41 Potentiale des Fahrrads UPI 40 Bodennahes Ozon UPI 38 Enge Hauptstraßen UPI 37 Autofreie Sonntage UPI 35 Auto-Prognose weltweit UPI 34 Öko-Bilanz ÖPNV HD UPI 33 CO2-Bilanz UPI 23 Scheinlösungen Verkehr UPI 21 Externe Kosten Verkehr UPI 15 Biosphäre UPI 9 Öko-Steuern
|